Ein Hauptgrund der Pflegebedürftigkeit bei älteren Menschen ist die demenzielle Erkrankung[9]. Der demografischer Wandel und hohe Lebenserwartung verursachen die Zunahme an demenziell erkrankten Menschen in stationären oder ambulanten Sektoren.
Die europäische Charta der Grundrechte betonte im unterzeichneten Vertrag von Lissabon 2008, Artikel 25 die Würde, Gleichstellung und Unabhängigkeit sowie soziale Teilhabe von alten Menschen. Zum Anlas dieses Leitbildes wurde die steigende Lebenserwartung von Menschen in Industrieländer genommen und die Notwendigkeit an Unterstützung von Demenzpflege wurde akzentuiert[10].
Die Politik zeigte ihr Interesse an Demenzerkrankten sowie an ihren Angehörigen und versuchte anhand der Pflegereform vom 01.07.2008 die Erleichterung für die Pflege dieser Gruppe vorzunehmen[11].
Aktuell zeigen auch Forschung, Gesundheits- und Pflegeberufe immer mehr Interesse an Demenz erkrankten Menschen und entwickeln immer wieder neue innovative Projekte, um die Erhöhung der Lebensqualität und die Steigerung des Wohlbefindens dieser Zielgruppe zu erbringen. Nicht-medikamentöse Aktivierungstherapien nehmen augenblicklich eine besondere Stellung bei Demenzpflege ein[12]. Humorinterventionen gehören ebenfalls zu diesen wichtigen und funktionierenden Therapiemethoden bei Demenz[13]. Die Quote von demenziell erkrankten Menschen und der notwendige Pflegebedarf in diesem Bereich in Deutschland steigen kontinuierlich. Nach aktuellen Erkenntnissen des MDK (Medizinischer Dienst der Krankenversicherung) haben 30% der Pflegebedürftigen einen Antrag auf häusliche Pflegeleistungen und 57% auf stationäre Pflegeleistungen gestellt[14]. Über 70% der insgesamt 1,5 Millionen Demenzerkrankte in Deutschland werden zu Hause gepflegt und die Tendenz ist hier auch steigend[15].
Die Pflege steht unter knappen, materiellen und personellen Ressourcen. Die Pflegefachkraft kann in sehr begrenzten Kapazitäten eingesetzt werden. Dadurch kann die Demenzpflege fast nur auf Grund- und Behandlungspflege ausgerichtet werden. In dieser Bedarfslage wird von Pflegekräften eine besondere Leistung gefordert. Das Pflegepersonal muss vielseitig agieren und Verständnis für alle Akteure aufbringen[16], denn mit demenzerkrankten Menschen zu arbeiten bedeutet, wertorientiert, fachlich, professionell und kreativ zu handeln[17]. Menschen mit einer Demenzerkrankung brauchen besondere Aufmerksamkeit, Zuwendung und Hilfsbereitschaft.
Demenzerkrankung ist eine große Herausforderung für die Pflege. Besonders aufwendig ist die Betreuung von demenziell erkrankten Menschen am Anfang und im fortgeschrittenen Stadium. Aufgrund des schwierigen Verlaufs der Krankheit in diesen Stadien sind die Angehörigen so sehr überfordert und verzweifelt, dass sie schnellst möglich sich daraus lösen wollen[18]. Aus diesem Grund werden ältere Menschen dieser Zielgruppe in Heime überwiesen[19]. Trotz dieser Tendenz werden viele Betroffene jedoch immer noch von ihren Angehörigen zuhause gepflegt. 61% der pflegenden Angehörigen von 65 bis 79- Jährigen sind die Ehe- oder
Lebenspartner/innen und zu 24 % sind es die Töchter. Bei den über 79- Jährigen übernehmen die Betreuung in 44 Prozentfällen die Töchter und in 17 Prozentfällen die Schwiegertöchter. In diesem Alter werden die Betroffenen zu 17% von Ehepartnern gepflegt[20]. Jedoch sind solche Familienstrukturen als Luxusgut anzusehen. Viele Demenzkranke wohnen allein in den eigenen vier Wänden und haben Niemanden um sich herum. Daher ist die Demenzpflege heute eine zentrale Herausforderung auch für die ambulanten Pflegedienste[21]. Fast jeder vierte Pflegebedürftige wohnt ohne jeglichen Angehörigen in einem Einpersonenhaushalt. 8% der Pflegebedürftigen der Pflegestufe III erhalten keine Hilfe aus der Familie. Fast die Hälfte der Pflegenden ist selbst 65 Jahre alt[22].
Die Pflege und Betreuung von Demenzerkrankten ist stark von Stresselementen gesteuert. Zu den bestehenden Körperbelastungen kommen noch viele seelische Beeinträchtigungen hinzu und das Wohlbefinden von Pflegenden wird stark vernachlässigt[23]. Viel Stress sowohl bei Pflegenden als auch bei Betroffenen führt zu einer Schädigung der Kooperation und des Zusammenschlusses für beiden Parteien. Stress bei den Pflegenden wird automatisch auf die Betroffenen übertragen und stärkt ihre schon bestehende Unsicherheit. Der Überstress, der sich bei Betroffenen in Unruhe und Abwehrhaltung widerspiegelt, belastet und beansprucht den Alltag von Pflegenden[24].
Neben den körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen verursacht die Pflege von demenziell erkrankten Menschen zuhause auch materielle Verluste. Diese Belastungen sind so deutlich, dass selbst der Gesetzgeber darüber spricht. Eine 24-Stunden- Pflege in Anspruch zu nehmen, ist nicht für jeden materiell realisierbar. Das Problem ist manchmal, dass der Anspruch auf die Pflegehilfe zu spät in Anspruch genommen wird und die pflegenden Angehörigen dermaßen überfordert sind, dass die professionelle Pflege sie nur schwer entlasten kann[25]. Die ambulanten Pflegedienste stehen hier einer großen Herausforderung und Verantwortung gegenüber[26]. Der Zeitdruck stellt zudem ein wichtiges Element von Strukturqualität in der Pflege generell dar, vor allem in der häuslichen Pflege. Dieser Zeitdruck und dadurch entstehende Hektik lassen nicht zu, eine würdige Demenzpflege durchzuführen[27].
Der Begriff „Demenz“ leitet sich aus dem lateinischen Wort „mens/ mentis“ ab. Wortwörtlich übersetzt bedeutet er „Verstand“ oder „Geist“. Darauf basiert seine wörtliche Bedeutung „weg vom Geist“ oder „ohne Geist“[28]. Darunter wurde immer ein Ausnahmezustand der Psyche verstanden und als „Wahnsinn“ bezeichnet[29].
Gemäß der Internationalen Klassifikation psychischer Störungen (ICD- 10) ist die Voraussetzung für die Diagnostik einer demenziellen Erkrankung eine Störung des Kurz- und Langzeitgedächtnisses und des abstrakten Denkens. Dazu kommen Sprachstörungen (Aphasie), Schwäche des angemessenen Handelns zu Einzelbewegung (Apraxie), Wahrnehmungsstörungen (Agnosie) und die Persönlichkeitsveränderungen. Geminderte Affektkontrolle, die Störungen des Antriebs und des sozialen Verhaltens begleiten die Beeinträchtigungen des kognitiven Vermögens. Wenn die aufgelisteten Symptome mindestens sechs Monaten konstant zu erkennen sind, ist die Diagnose auf eine demenzielle Erkrankung festzustellen[30]. Demenz wird von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) folglich definiert:
„ Demenz ist ein Syndrom als Folge einer meist chronischen oder fortschreitenden Krankheit des Gehirns mit Störung vieler höherer kortikaler Funktionen, einschließlich Gedächtnis, Denken, Orientierung, Auffassung, Rechnen, Lernfähigkeit, Sprache und Urteilsvermögen. Das Bewusstsein ist nicht betrübt. Die kognitiven Beeinträchtigungen werden gewöhnlich von Veränderungen der emotionalen Kontrolle, des Sozialverhaltens oder der Motivation begleitet, gelegentlich treten diese hier auch auf. Dieses Syndrom kommt bei der Alzheimer- Krankheit, bei zerebrovaskulären Störungen und bei anderen Zustandsbildern vor, die primär oder sekundär das Gehirn betreffen.“ [31]
Anhand dieser Definition ist klar zu erkennen, dass eine Demenz keine autonome Krankheit ist, sondern als Fortsetzung anderer Erkrankungen gesehen werden kann[32]. Laut heutigem Stand der Wissenschaft kann es für den Demenzerkrankten kein Weg mehr zurück zum normalen Leben geben. Die wichtigsten Fähigkeiten des Verstandes wie: Konzentration, Aufmerksamkeit, Interesse, Anteilnahme, Verständnis, Gedächtnis und Orientierung nehmen sukzessiv und ohne Umkehr ab. Ohne eine positive Aussicht auf die Besserung schrumpft die ganze Persönlichkeit des demenziell erkrankten Menschen und geht in einer eigenen Welt langsam vollkommen verloren. Diesen Austritt aus dem Leben würdig zu begleiten und zu unterstützen ist eine hochwertige und schätzenswerte Mission der heutigen Gesellschaft[33].
Unter dem Oberbegriff „Demenz“ ist eine Vielzahl von Erkrankungen und verschiedene Ursachen versteckt (siehe unten Kapitel 1.2, S.16).
ICD-10 stellt folgende Demenzformen dar:
Tabelle 1: Demenzformen nach ICD-10[34]
Aus dieser Aufzählung ist zu erkennen, dass eine Demenz aus einer ganzen Palette von Demenzformen...