In den folgenden Kapiteln wird die Grundgesamtheit der Beschäftigten im produzierenden Gewerbe anhand von verschiedenen Merkmalen analysiert. Die Analyse liefert Aufschlüsse über die Anzahl der Erwerbstätigen sowie das Anforderungsniveau der vorhandenen Arbeitsplätze und das Bildungsniveau der Beschäftigten. Die zwei letztgenannten Merkmale wurden ausgewählt, da es aufgrund der Ergebnisse des ersten Abschnittes der Arbeit als wahrscheinlich erachtet wird, dass eine zunehmende Mensch-Maschine-Kollaboration mit neuen bzw. veränderten Anforderungen an die Arbeitsperson im produzierenden Gewerbe einhergeht (vgl. Kapitel 2.7). Vor diesem Hintergrund erscheint es sinnvoll, die derzeitigen Anforderungs- und Bildungsstrukturen näher zu betrachten. Darüber hinaus wird der Frage nachgegangen, inwiefern der demografische Wandel, die Beschäftigungsstrukturen bzw. das Arbeitskräfteangebot im produzierenden Gewerbe beeinflussen könnte.
Vorerst wird jedoch im nächsten Kapitel der Arbeit erläutert, auf welcher Datenbasis die Analyseergebnisse der Kapitel 3.2, 3.3 sowie 3.4 beruhen und welche Vorgehensweise hierbei zugrunde gelegt wurde.
Für die Analyse der Erwerbstätigkeitszahlen im produzierenden Gewerbe (vgl. Kapitel 3.2) werden die Daten aus der Erwerbstätigkeitsrechnung des Statistischen Bundesamtes herangezogen. Die Erwerbstätigkeitsrechnung basiert auf einem Rechenmodell, das Teil der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (VGR) ist. Mit Hilfe dieses Modells wird die Gesamtanzahl der Erwerbstätigen in Deutschland – basierend auf einer Vielzahl von Einzelstatistiken – durch das Statistische Bundesamt geschätzt.[114]
Das Statistische Bundesamt definiert Erwerbstätige in Anlehnung an die internationale Arbeitsorganisation (ILO) als:
„Personen im Alter von 15 Jahren und mehr, die mindestens eine Stunde gegen Entgelt irgendeiner beruflichen Tätigkeit nachgehen bzw. in einem Arbeitsverhältnis stehen (Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer) oder selbstständig ein Gewerbe, einen freien Beruf, ein Handwerk oder eine Landwirtschaft betreiben oder als mithelfende Familienangehörige im Betrieb eines Familienmitgliedes mitarbeiten, ohne dafür Lohn oder Gehalt zu beziehen.“[115]
Für die Analyse des Anforderungsniveaus der Arbeitsplätze (vgl. Kapitel 3.3) und der Bildungsabschlüsse der Beschäftigten im produzierenden Gewerbe (vgl. Kapitel 3.4) werden dagegen die Daten aus der Beschäftigungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit (BA) verwendet. In der Beschäftigungsstatistik werden alle sozialversicherungspflichtig Beschäftigen erfasst, die der folgenden Definition der BA entsprechen:
„Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte umfassen alle Arbeitnehmer, die kranken-, renten-, pflegeversicherungspflichtig und/oder beitragspflichtig nach dem Recht der Arbeitsförderung sind oder für die Beitragsanteile zur gesetzlichen Rentenversicherung oder nach dem Recht der Arbeitsförderung zu zahlen sind.“[116]
Anhand dessen wird deutlich, dass in der Beschäftigungsstatistik nicht alle Erwerbstätige Berücksichtigung finden, sondern nur diejenigen, die der Sozialversicherungspflicht unterliegen (geringfügig Beschäftigte ausgenommen[117]).
Folglich wird die quantitative Entwicklung der Beschäftigung in Kapitel 3.2 anhand der Zahl der Erwerbstätigen im produzierenden Gewerbe festgemacht. Dagegen beschränken sich die Untersuchungen von Anforderungs- und Bildungsniveau in den Kapiteln 3.3 und 3.4 auf die Population der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten.
Der Hauptgrund für dieses Vorgehen ist, dass die Beschäftigungsstatistik als Einzige spezifische Angaben zu den Merkmalen „Anforderungsniveau“ und „Bildungsabschluss“ enthält. Gleichermaßen wird diese statistische Einschränkung als wissenschaftlich annehmbar eingestuft, da die Beschäftigungsstatistik laut Aussage der BA rund 80 Prozent aller Erwerbstätigen in Deutschland umfasst und somit als repräsentativ eingestuft wird.[118]
Für das produzierende Gewerbe konnte im Jahr 2015 sogar eine Übereinstimmung von rund 90 Prozent festgestellt werden. Die BA stufte von den 8.087.000 Erwerbstätigen, rund 7.272.500 als sozialversicherungspflichtig Beschäftigte ein (vgl. Daten-CD).
Darüber hinaus weisen die Statistiken eine hohe Vergleichbarkeit auf, da die Ergebnisse der Beschäftigungsstatistik unmittelbar in die Erwerbstätigkeitsrechnung einfließen, sodass laut Aussage der BA eine statistikübergreifende Kohärenz[119] gegeben ist.[120]
Im Hinblick auf das Ziel der Arbeit konzentrieren sich die Analyseergebnisse ausschließlich auf die Beschäftigten im produzierenden Gewerbe. Daher wurde der Gesamterhebungsumfang der verwendeten Statistiken nach der in Kapitel 2.1 festgelegten Definition zerlegt, sodass letztlich nur die Population der Beschäftigten übrig blieb, die eindeutig dem produzierenden Gewerbe zugeordnet werden konnten. An dieser Stelle sei zur Erinnerung erwähnt, dass das Baugewerbe im Rahmen dieser Arbeit aufgrund seiner Spezifika nicht zum industriellen Sektor gezählt wird.
Das nächste Kapitel beginnt mit der Analyse der quantitativen Entwicklung der Erwerbstätigkeitszahlen.
Wie in Kapitel 2.1 aufgezeigt, waren im Jahr 2015 rund 19 Prozent der Erwerbstätigen in Deutschland im produzierenden Gewerbe tätig.
In diesem Kapitel soll untersucht werden, wie sich diese 19 Prozent auf die einzelnen Abschnitte des produzierenden Gewerbes (Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden, verarbeitendes Gewerbe sowie Energie- und Wasserversorgung) im Jahr 2015 verteilten. Zusätzlich wird der Zeithorizont auf die letzten zehn Jahre ausgedehnt, sodass die nachfolgende Abbildung 7 die quantitative Entwicklung der Beschäftigung in den Jahren von 2006 bis 2015 darstellt.
Abb. 7: Erwerbstätige im produzierenden Gewerbe von 2006 bis 2015[121]
Die Zahl der Erwerbstätigen unterlag in den letzten Jahren einem stetigen Aufwärtstrend: Während die Gesamtanzahl im Jahr 2010 noch 7.705.000 betrug, stieg die Anzahl bis ins Jahr 2015 kontinuierlich auf 8.087.000 an. Infolgedessen verzeichnete das produzierende Gewerbe im Jahr 2015 ein höheres Beschäftigungsniveau als im Jahr 2010 (Tiefpunkt).
Diese positive Entwicklung wird in der Literatur mit einer fortwährenden stabilen Konjunktur in Deutschland begründet.[122] Eine hohe Erwerbstätigkeit ist i. d. R. das Ergebnis einer hohen Arbeitsnachfrage, die durch ein hohes Arbeitsangebot befriedigt werden konnte.[123] Die erhöhte Arbeitsnachfrage im verarbeitenden Gewerbe kann auf eine steigende Anzahl an Auftragseingängen sowie eine positive Entwicklung von Produktions- und Umsatzindex zurückgeführt werden.[124]
Jedoch wäre es unzureichend, von einem Aufwärtstrend der Beschäftigung in allen Abschnitten des produzierenden Gewerbes zu sprechen: Während die Zahl der Erwerbstätigen im verarbeitenden Gewerbe in den Jahren von 2010 bis 2015 kontinuierlich stieg, sind die Zahlen im Bereich Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden sowie im Bereich der Energie- und Wasserversorgung seit 2014 leicht rückläufig (Verlust von 1,20 Prozent[125]). Ohnehin fällt auf, dass der Beschäftigungsgrad im produzierenden Gewerbe überwiegend durch das verarbeitende Gewerbe bestimmt wird: Rund 93 Prozent der Erwerbstätigen waren im Jahr 2015 hier tätig.[126] Eine ähnliche Verteilung konnte bereits im Hinblick auf die Bruttowertschöpfung des produzierenden Gewerbes festgestellt werden, die im Jahr 2015 zu insgesamt 88 Prozent von Unternehmen der verarbeitenden Industrie erwirtschaftet wurde (vgl. Kapitel 2.1).
Die sinkende Zahl der Erwerbstätigen in den Jahren von 2008 bis 2010 (industrieller Beschäftigungsabschwung von 3,95 Prozent[127]) kann auf die damalige Rezession in Folge der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise[128] zurückgeführt werden. Auffallend ist, dass das verarbeitende Gewerbe in den Rezessionsjahren einen höheren Personalabbau verzeichnete als das restliche produzierende Gewerbe. Während die verarbeitende Industrie im Betrachtungszeitraum von 2008 bis 2010 320.000 Stellen abbaute, blieb der Einbruch im Bereich der Gewinnung von Steinen und Erden sowie im Bereich der Energie- und Wasserversorgung aus.
Hier konnte sogar ein Plus von 3.000 Erwerbstätigen verzeichnet werden. Dennoch reichte die positive Entwicklung dieser Wirtschaftszweige nicht aus, um den Beschäftigungsabbau im verarbeitenden Gewerbe zu kompensieren.
Demnach scheint das verarbeitende Gewerbe anfälliger für konjunkturelle Schwankungen zu sein als andere...